Interessantes zur Lenzener Mühlengeschichte

Der im Hochmittelalter gesteigerte Getreideanbau in der Mark Brandenburg verlangte frühzeitig nach einem gut funktionierenden Mühlenwesen. Leider lassen sich mangels flächendeckender Quellen für die Wirtschafts- und Sozialstruktur der Prignitz im Mittelalter für diese Zeit aber Standorte und Dichte der Wind- und Wassermühlen für die Prignitz noch nicht ermitteln. Man geht aber davon aus, daß die Städte in unmittelbarer Nähe wenigstens drei Mahlbetriebe hatten, mit denen sie auch das Umland versorgten, schreibt Dr. Lieselott Enders in ihrem im Jahr 2000 erschienenen Buch „Die Prignitz, Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert“.
Das Mühlenrecht oblag der Herrschaft - im Falle der Immediatstadt Lenzen also dem Landesherrn.
Lenzen hatte neben der Urbede, der landesherrlichen Steuer an den Markgrafen, im Jahre 1375 12 Wispel Roggen als Mühlenpacht zu entrichten.

Zum Zahltag vor dem Rathaus
Der Zahltag für die Lenzener Bürger war gleichzeitig mit dem Ratsschoß, der städtischen Steuer, jeweils der 21. Dezember, der St. Thomastag, vor dem Rathaus.

 
Rathaus - Stich von Herbert Bartholomäus

Belegt ist durch das „Mecklenburgische Urkundenbuch“ außerdem, daß im Jahre 1397 die Parchimer Bürger mit 400 Geschützen und 1.000 wehrhaften Mann gegen die Feinde nach Lenzen zogen, die ihnen weidende Kühe geraubt hatten. Sie verbrannten die Mühlen der Lenzener bis auf den Grund „und taten ihnen viele andere Schäden an“.
Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts werden in der Prignitz 69 Mühlen bekannt; in der Westprignitz 22, in der Ostprignitz 47. Es waren vorwiegend Wassermühlen.
Mit landesherrlicher Genehmigung begann Hans v. d. Schulenburg als Amtmann zu Lenzen 1499 den Bau einer Windmühle vor der Stadt, wahrscheinlich vor dem Seetor. Es ist anzunehmen, daß der Bau der „Amtsbrücke“ 1508 in ursächlichem Zusammenhang damit steht. So kam man vom Amt (Burg) zur Mühle, ohne die Stadttore mit Abgaben passieren zu müssen.

 

Vor dem 30jährigen Krieg 110 Mühlen in der Prignitz
1618 sind in der Prignitz 89 aktive Mühlen im ländlichen Raum und 21 Mühlen in den 11 Städten bekannt. Damit versorgten 110 Mühlen 261 Dörfer und Städte der Prignitz.
Die zunehmende Dichte der alten und neuen Mühlen führte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehr und mehr zum Operieren mit Mahlzwang. Das heißt, Bewohner bestimmter Orte, Ortsteile und Dörfer hatten bei der für sie vorgeschriebenen Mühle malen zu lassen. Dazu gab es sogenannte Mahlgastlisten, die alle Personen über 12 Jahre erfaßten. Aus der Personenzahl resultierte ein fester Getreidebedarf, aus dem sich dann die Steuer für den Müller errechnete.
Der Mahlzwang war genau wie das Mühlenrecht, landesherrliches Recht. Schon frühzeitig bemühten sich aber die Städte und auf dem Lande der Adel, dieses Recht vom Landesherrn zu erkaufen oder zu pachten.
Zu den beiden Amtsmühlen bei Lenzen, der zweigängigen Wassermühle und der 1601 vor dem Seetor errichteten „Neuen Windmühle“ mit einem Gang, waren die Stadt Lenzen und die Dörfer Körbitz, Baekern, Mödlich und Zuggelrade mahlpflichtig. Aus einem Schreiben des Jahre 1693 geht dagegen ausdrücklich hervor, daß in Lenzen die Wahl der Mühle den Mahlgästen oblag; daß „den Einwohnern freie ‘Cvilkohr’ (Entscheidung) von Alters zugestanden, in des Hauses Mühlen oder aber in des Herrn Hauptmanns eigener Wassermühle zur Eldenburg, und andern an- und umliegenden, in- und ausländischen Mühlen zu malen“.

 
Lenzen im Jahre 1654 - Stich nach einem Gemälde des niederländischen Malers Adam Pijnacker

Indes stritten sich mehr die Mühlenbesitzer wegen der Einnahmen, die ihnen verloren gingen und wegen der zu entrichtenden Abgaben.
Zeitweiliger Mahlzwang wird aber existiert haben, denn es gibt Überlieferungen, nach denen den Lenzener Bürgern das Getreide gepfändet wurde, daß sie heimlich zur Mühle am Seetor gebracht hatten, weil ihnen der Weg zu des Amtes Wassermühle am See zu weit war.
Die Lenzener aber rotteten sich zusammen, überfielen das Lager und „eroberten“ sich ihr Getreide zurück.

 

Nach dem großen Stadtbrand von 1703
1705 erhält der amtierende Bürgermeister von Lenzen Johann Friedrich Katsch die Vollmacht für die Verhandlungen zum Erwerb der Erbpacht über des Amtes Mahlmühle (Wassermühle) und die beiden wüsten Windmühlenstätten.
Am 8. Januar 1706 wird der Erbpacht-Kontrakt zwischen der Kammer und dem Herrn Hof- und Legationsrat v. Quitzow über die Wassermühle zu Lenzen und die zu dem Zeitpunkt beiden wüsten Windmühlenstätten „nebst dem von der letzt eingefallenen Windmühle annoch vorhandenen Eisen und Steinwerck“ eingeschlossen. Demnach haben vor 1700 neben der Wassermühle zwei Windmühlen existiert. Darüber hinaus gab es eine Roßmühle, von der es im Jahre 1700 heißt, daß sie „vor undenklichen Zeiten“ eingerichtet wurde, und daß diese allein in Notfällen, wenn die Elbe ausgelaufen (Hochwasser) und mit des Hauses (Amtes) Mühle nicht gemalt werden kann, den Bürgern zugewiesen wurde, „die auch Ire eigene Pferde darzu getan“. Ihr oblag es offensichtlich auch, die Malz-Metze einzuziehen.
Weiter berichten die alten Akten: „Es ist bekannt, daß bei Bedarf seit „Menschen gedenken“ auch ein Müller mit 6 Pferden von Seehausen zur Roßmühle kam und ungehindert den Einwohnern auch das Malz darin gemahlen hat.
„Der Müller Pawel Blaffert ist auch nicht des Hauses (Amtes) Müller, sondern ein Bürger der Stadt gewesen und hat den Bürgern mit ihren Pferden in derselben Stadt-Roßmühle Malz gemahlen und nicht allein in Wassersnot, sondern sooft es ihnen gelegen und sich mit dem Rat darum verglichen.

Kostenloses Bier für die Ratsherren
„Wie denn auch ein Müller Peter Reinicke in der Stadt gewohnt und Burgmüller gewesen und den Bürgern nicht allein in Wassersnot, sondern wenn Malz zu malen war die Roßmühle benutzt und dafür dem Rat „zu vertrinken“ gegeben.
„Man will (um 1693) auch des Hauses Windmühle nicht einfallen und vergehen lassen, so hätte man doch in derselben und auch der Wassermühle an Rogken und Weitzen ohne das Malz der Roßmühle genug zu malen“. Unsere Bäcker, so heißt es weiter, müssen sonst das Weizenmehl von Seehausen und anderswoher holen.

Malz und Roggen können nicht gleichzeitig gemahlen werden
„Die Bürger, die Brauhäuser haben, können auch mit Malz und Roggen zugleich nicht in des Amtes Mühlen gefördert werden. Denn wenn Malz in die Mühle gebracht, muß eine Flasche oder Kanne voll Bier dabei sein, darum der Roggen, ob der gleich zuvor dagewesen zu der armen Leute großer Ungelegenheit hindan gesalzt.“ Oft haben die Leute deshalb ihren Roggen wieder abgeholt und in die Eldenburger Mühle gebracht. „Wie denn auch ein armer Mann seinen Roggen in der Amtsmühle gehabt, doch dort weggekommen. Darüber von desselben Mannes Weib, nachdem sie mit ihren armen Kindern kein Brot gehabt, zu großer Ungeduld bewogen, und ganz greulich geflucht und gescholten hat.“
Der Rat hat auch, als die Roß-Mühle baufällig geworden, zur Ausbesserung und Wiederaufrichtung derselben Holz hauen lassen, daß aber bei der „erbermlichen Außbrennung“ der Stadt (1703) mit verbrannte.“ Die Stadt hat aber an alter Stelle die verbrannte Mühle wieder errichtet. Der ehemalige Standort ist nicht bekannt.
Zu den Problemen, die die Lenzener Müller seit jeher hatten, gehörte einerseits das Hochwasser, wie denn im 17. Jahrhundert berichtet wird, daß eine Windmühle vor dem hiesigen Seetor, „welche, da sie in einer niedrigen Gegend gestanden, bei einem Elbdeich-Durchbruch ruiniret“, also weggeschwommen sei. Außerdem führte der Rückstau der Löcknitz bei Elbhochwasser zu dem Problem, daß auch die Flut, die man damals Mühlenfließ nannte, rückwärts floß und deshalb in der Wassermühle nicht gemahlen werden konnte.

Gildebrief des Müllergewerks Lenzen 1747
Frau Christa Kemski, geb. Gilberg, stellte uns freundlicherweise den Gildebrief des Müller-Gewerks Lenzen aus dem Jahre 1747 zur Verfügung, der interessante Details enthält.

 
Gildebrief des Müller-Gewerks 1747

Zum Beispiel werden einige neue Privilegien bekannt gemacht, die "zur Verhütung aller Confusion und zur Vermeydung der vorhin so häuffig wegen nichtiger Ursachen angestrengten geldfressenden Processe" beitragen sollen. Von Lehrlingen wurde verlangt, daß sie lesen und schreiben und wenigstens 5 Stücke aus dem Katechismus "hersagen" können. Die Probezeit eines Lehrlings war auf vier Wochen begrenzt.
Nach Abschluß der Lehre hatte der Geselle zu versprechen, sich "vor liederlicher Gesellschaft, Spielen, Sauffen, Huren, Stehlen und anderen Lastern zu hüten". Danach war er ohne andere "Ceremonien und Possen" loszusprechen. Ferner wird berichtet, daß derjenige, der beim Gewerk der Müller Meister werden wolle, seinen Lehrbrief, "nebst denen seines guten Verhaltens wegen erhaltenen Kundschaften, Attestatis vorzeigen, auch das er wenigstens vier Jahre auf das Handwerk gewandert, erweisen muß."


Auf das Vorzeigen des Geburtsbriefes, der die eheliche Herkunft nachweist, wird verzichtet, weil dieser bereits zur Erlangung des Lehrbriefes vorausgesetzt wird. Im übrigen wurde auch die Soldatenzeit statt der Wanderjahre angerechnet. Derjenige, dem es an Zeugnissen seines Wohlverhaltens fehlt, muß an dem Ort, wo er Meister werden will, ein halbes Jahr als Geselle arbeiten.
Das Meisterstück, sowohl für Wasser- als auch für Windmüller bestand aus einer Zeichnung sowohl einer Wasser- als auch einer Windmühle mit technischem Ablauf, die in eines Meisters Beisein anzufertigen war. Fehler am Meisterstück durften, wie früher üblich, nicht mehr freigekauft werden, ebenso wurden "die bey dieser Gelegenheit sonst gewöhnlichen Schmausereyen gäntzlich verboten". Wurden dem Meisteranwärter "ohne gegründete Ursache Schwürigkeiten gemacht" so konnte dieser auf eigene Kosten unparteiische Meister als Gutachter hinzuziehen.
Die Gesamtkosten der Meisterprüfung beliefen sich auf 12 Reichstaler, wovon 2 Reichtaler den gesamten Meistern "zur Ergötzlichkeit" zustanden.

Innungsversammlungen
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, lautet ein altes Müllerwort. Die Bevorzugung von Mahlgästen auch gegen Trinkgeld war bei Strafe verboten. Aber wer sich von den Müllern bei Versammlungen um mehr als eine Stunde verspätete, hatte 2 Gute Groschen Strafe zu erlegen. Das Statut von 1747 verbot die früheren "läppischen Ceremonien und Complimenten" wie auch den Alkoholkonsum während der Versammlungen. "Wenn sie zusammen trincken wollen" kann dies außerhalb der Gewerks-Angelegenheiten geschehen, heißt es.

Der Müller als Richter
Vom 30. Juni 1734 liegt folgendes Schreiben vor:
„Seiner königl. Majestät ist bekannt geworden, daß Müller eine gewisse Jurisdiktion (Rechtsprechung/Gerichtsbarkeit), der Trauer Mantel genannt, so eine Peitsche ist, ausüben und sich anmaßen damit nach ihrem Gefallen die Mahlgäste zu prügeln. Die Magistrate werden gebeten, Untersuchungen anzustellen und fordersamst Bericht zu erstatten.“
Das Lenzener Müller-Privileg von 1747 verbietet außerdem aufs Schärfste, das Führen von sogenannten "Schwarzen Brettern" und alle "altväterische und theils abergläubische Ceremonien" mit der Innungslade. Sie ist wie jeder andere Kasten zu behandeln, außer, daß sie mit drei Schlössern versehen in des Altmeisters Hause aufzubewahren sei. Die drei Schlüssel hatten der Altmeister, der Beisitzer und der Jungmeister.

1810 Mangel an Windmühlen
Ob die zweite im Jahre 1706 genannte wüste Windmühlenstätte wieder aufgebaut wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Fest steht dagegen, daß 1810 vom Mangel der erforderlichen Windmühlen gesprochen wird, „und es kann die eine Bockwindmühle nicht das nötige Brotkorn, geschweige das Brandtweinschrot und Malz abmahlen, so dass die Einwohner mit vielen Kosten weit entfernt liegende Mühlen abfahren müssen, wodurch der Betrieb ihres Gewerbes leidet und das Publicum gefährdet wird.“
Im gleichen Jahr, nämlich am 28.10.1810, wurde in Berlin das „Edikt wegen der Mühlengerechtigkeit und Aufhebung des Mühlenzwanges und des Bier- und Brantweinzwanges in der ganzen Monarchie“, §§ 6, 7, 8 veröffentlicht. Dies führte spontan zur Errichtung vieler neuer Windmühlen im ganzen Land.

 
Bockwindmühle vor dem Seetor um 1840

So auch in Lenzen. Es berichtet die Mühlen-Akte des Magistrats zu Lenzen (Brandenburg. Landeshauptarchiv Potsdam, Rep.8/Lenzen 55 C) von einer vor dem Seetor anzulegenden Windmühle im Februar 1811 und, daß sich der Mühlenmeister Johann Ludwig Rothfahn aus Gartow bewirbt, eine Windmühle auf seine Kosten mit 2 oder 3 Gängen zu bauen; „links vom Damm nach dem Sandfurt zu“ 30 x 30 Schritte. Desgleichen bewirbt sich der Brauer und Bürger Wilhelm Rohde, der rechts vom Damm eine Mühle errichten will.

 

Ersteigert und bald wieder Pleite
Es wird bis 30 Reichstaler gesteigert, bis Rothfahn erklärt, eine Holländerwindmühle mit Spitzgang zu bauen. Darauf erklärte Rohde, ebenfalls statt einer Bockmühle eine holländische Mühle bauen zu wollen und ebenfalls 30 Reichstaler geben wolle.
Darauf erklärte Kahnführer Ohnesorge er wolle auch eine holländische Mühle bauen und 31 Reichstaler Pacht geben. - Sie steigern dann bis 40 Reichstaler.
Der in Lenzen bemittelte Brauer und Grundbürger Rohde erhält für 41 Reichstaler schließlich den Zuschlag unter den Bewerbern, da er „der annehmlichste“ ist. Er hat die Mühlenprofession erlernt und auf mehreren Mühlen als Bescheider (Geselle) gearbeitet. „Die Stelle, wo diese Mühle erbaut werden kann, ist vor dem entgegengesetzten Thor als wo die jetzt in Erbpacht stehende Mühle des Müllers Wieggreffe sich befindet und gewiß 400 Ruthen entfernt.“ Mit dem entgegengesetzten Tor ist das frühere Berg- oder Berliner Tor gemeint. Die Windmühle stand dort, wo die ehemals Gilbergsche Villa steht. Der damalige Besitzer war vermutlich sowohl Wasser- als auch Windmüller, sodaß Windstille und Hochwasser seinen Betrieb nur bedingt einschränken konnten.
Am 16.11.1811 bittet Rohde jedoch abweichend von seinem Angebot „wegen der hohen Kosten“ statt der holländischen Mühle doch eine Bockwindmühle mit 2 Gängen (Rheinschen Gang und Sandgang (Rheinschen Stein und Sandstein)) bauen zu dürfen.
„Da nun bey der Bockwindmühle (wegen der fast bis auf den Erdboden reichenden Flügel) sehr leicht das Weide-Vieh zu Schaden kommen kann“ erhält Rohde am 17. November 1811 die Auflage, daß er ein „tüchtiges Gehäge“ (Umzäunung) anfertigen und erhalten soll.
Am 21. September 1811 widerruft aber die Stadt ihre Zusage. Am 6. Oktober gleichen Jahres genehmigt die Stadt jedoch wieder, aber unter der oben genannten Auflage und dem Hinweis, daß Rohde zu Schaden gekommenes Vieh doppelt zu bezahlen habe.
Der Holzkauf, Eiche und Rüster und eine Eiche aus dem Unterholz, erfolgt am 30. Januar 1812. Die Baugenehmigung vom 11. März 1812 wird bereits am 16. März 1812 widerrufen. Die Gründe für die dauernden Querelen entziehen sich unserer Kenntnis. Schließlich wird Rohde am 7. September 1812 der Bauplatz von 30 Schritten im Durchmesser angewiesen.
„An Ort und Stelle fand sich nun, daß der Mühlen-Schwanz vom Mehlbaum allein 19 Schritt von demselben entfernt ist“ und man unmöglich näher als 22 Schritt um denselben fahren könne. Es heißt, daß 45 Schritt um die Mühle inkl. Mehlbaum im Durchmesser, der ganze Durchmesser 135 Werkfuß (?) plus 15 Schritte für Gehege benötigt würden; dazu ein Stall von 18 Fuß lang und 12 Fuß breit. (später 30 x 12 Fuß)
Müller Rohde scheint mit dem Bau nicht glücklich geworden zu sein. Im Jahre 1816 beantragt der Magistrat Lenzen die Pfändung von Stammholz beim Leuengarten, das Müller Rohde dort aufgehäuft hat; Wert ca. 300 Taler. Er hat bei der Stadt Holzschulden von 352 Taler und Rückstand der Mühlenpacht von 164 Talern, demnach hat er seit dem Bau der Mühle noch nie bezahlt.
1818 beantragt Rohde den Bau einer Roßmühle (wohl Lütkes Grundstück, die spätere Hundeküche der NVA) weil er in den niedrigen Wiesen oft keinen Wind habe. Die Akte endet ohne Antwort auf dieses Begehren. Wilhelm Rohde stirbt jedenfalls nicht als Müller, sondern als Brauer und Branntweinbrenner in Lenzen.

Die Lenzener Mühlen und Müller im 19. Jh.
Die Zahl der Müller und Mühlen nimmt um die Mitte des 19. Jahrhunderts sowohl in Lenzen als auch in den umliegenden Dörfern deutlich zu. Im Lenzener Kirchenbuch und in den teilweise erhaltenen Mühlenakten tauchen folgende Müllerfamilien auf, die den folgenden Mühlen zugeordnet werden konnten:
1. Windmühle, Holländermühle, Finkenberg links
Fehrmann, Friedrich Wilhelm, Müller von 1821-1862, danach war er als Mühlenbaumeister tätig. Es folgen seine Söhne Wilhelm, geb. 1824 und Carl, geb. 1831. In 3. Generation übernimmt den Betrieb 1892 der 1862 geborene Enkel Ernst Fehrmann, der 1895 als Mühlenmeister und Bäcker und 1897 nur noch als Bäckermeister tätig ist, weil das billige Industriemehl den Windmühlenbetrieb überflüssig gemacht hatte.
2. Windmühle, Holländermühle, Finkenberg Mitte
Mühlenbesitzer waren Johann Schulz 1864-1878 (ursprünglich Holzhändler in Lenzen), dann der aus Gandow stammende August Busse 1879- mindestens 1885, gefolgt 1890 von August Schalkow.
Da Schulz und Busse nur als Mühlenbesitzer bezeichnet werden ist davon auszugehen, daß die Mühle größtenteils verpachtet war.
3. Windmühle, Bockwindmühle, Hechtsfurtmühle, rechts hinter dem ehem. Judenfriedhof
Der 1809 in Lenzen geborenen Friedrich Jäger ist zunächst Seilermeister in Lenzen, dann aber von 1862 bis 1872 als Mühlenmeister in Lenzen tätig. Zwei Jahre vor seinem Tod übergibt er 1872 die Mühle seinem Sohn, dem Mühlenmeister August Jäger, der sie bis etwa 1883 betreibt. 1885 ist er nur noch als Ackerbürger in Lenzen tätig und um 1890 verkauft er die Bockwindmühle an Günter August Borchard, der sie noch 1914 besitzt.
4. Windmühle, Bockwindmühle, vor dem Seetor

 
Mühle vor dem Seetor 1903

Der Standort vor dem Seetor gehört sicher zu den ältesten Windmühlenstandorten in Lenzen. Die nach 1499 gebaute Windmühle des Amtes wird in diesem Bereich gestanden haben. Das älteste Gemälde der Stadt von dem holländischen Maler Pijnaker aus dem Jahre 1654 existiert im Original nicht mehr. Ein vermutlich danach gefertigtes Ölgemälde befindet sich in der stadtgeschichtlichen Ausstellung auf der Burg Lenzen. Dieses diente offensichtlich als Vorlage für einen Stich, der in der Lenzener Chronik des Dr. Ferdinand Ulrici von 1848 abgedruckt wurde.

Bekannte Besitzer der Mühle vor dem Seetor waren Wilhelm Rohde ab 1812 und später Christian Lent, der das Mühlengrundstück 1880 von der Stadt erwarb. Spätestens 1908 übernahm sein ältester Sohn Ernst Lent als Mühlenmeister die Mühle. Doch auch dieser Betrieb litt zusehens unter billigem Industriemehl aus Amerika und der Mühle „Findenwirunshier“ (Neu Kaliß/Heiddorf). Ernst Lent wurde Landwirt und stellte in den 20er Jahren den Mühlenbetrieb ein. Die Mühle verfiel und wurde schließlich 1935/36 abgetragen und das Grundstück für 750,- Reichsmark wieder an die Stadt verkauft.
5. Windmühle, Holländermühle, auf dem Grundstück der ehemals Gilbergschen Villa.
6. Wassermühle, an der Flut bzw. Mühlenfließ
Die 1601 erwähnte Wassermühle wird höchstwahrscheinlich schon damals am Auslauf des Rudower Sees gestanden haben, möglicherweise bereits auch früher. Akten aus dem Jahre 1648 wegen Erweiterung des Mühlengartens belegen jedenfalls diesen Standort.
Nachdem sie im 19. Jahrhundert angeblich abbrannte, wurde sie als Massivbau neu errichtet.
Wenigstens zeitweilig ist nachgewiesen, daß Wind- und Wassermühle 5. und 6. durch denselben Besitzer betrieben wurden. So konnte bei Windstille die Wassermühle genutzt werden und bei Hochwasser und Rückstau der Flut die Windmühle, sofern der Wind ausreichte. Schließlich haben wir in der Prignitz im Jahresdurchschnitt nur 183 Tage ausreichend Wind, um eine Mühle zu betreiben. Vier Windstärken sind nötig um zu produzieren, das heißt wenigstens schroten zu können. Erst bei Windstärke sechs und sieben kann optimal Getreide gemahlen werden. Windstille war ein häufiges Problem der Müller und so stapelte sich angeliefertes Getreide oft lange Zeit in den engen Windmühlen. Folgende Besitzer der Mühlen 5 und 6 sind bekannt:
1706 in Erbpacht der Herren v. Quitzow, mindestens 1722 bis 1727 Peter Müller, 1766 wird Johann Mackel als Erbmühlenmeister von Lenzen und Eldenburg genannt. Durch die Verlegung des Amtssitzes von der Burg Lenzen nach Eldenburg im Jahre 1767 ging nicht nur die Burg in Privatbesitz über, sondern auch die Amtsmühlen gehörten von nun an zum Amt Eldenburg-Lenzen.
Mackels Schwiegersohn, der aus Wittenförden stammende Sohn eines Oberförsters, Franz Joachim Rochow übernahm die Mühle 1767 und behielt sie bis zu seinem Tode um 1780. Es folgte 1781 bis 1808 als Mühlenmeister der Wasser- und Windmühle Joachim Ernst Knaack, der die Witwe des letzten Mühlenmeisters ehelichte, um in den Betrieb zu kommen. Er übergibt die Mühle aber 1809 an den Müller Wiegreffe und verstirbt als Mühlenmeister in seines Vaters ehemaliger Mühle in Triglitz. Es folgt ein Mühlenmeister Bernhardt, der 1834 die Mühle an Rochows ältesten Sohn Friedrich Wilhelm, geboren 1779, verkauft. Dieser war zuvor in Lindenberg als Mühlenmeister tätig.
Seine Söhne, Friedrich Rochow, geb. 1809, und Ludwig Rochow, geb. 1814 wurden seine Nachfolger, bevor Wilhelm Ludwig Thal von 1849 bis 1868 die Mühle übernahm. Als Mühlenmeister folgt Hermann Rochow, Ludwigs ältester Sohn im Jahre 1871. Schließlich wird Arnold Grundt von 1867 bis 1879 ebenfalls als Mühlenmeister genannt. Später wird selbiger Kaufmann in Lenzen und ist nur noch Mühleneigentümer. Welche der Meister sich auf die Wind- und welche sich auf die Wassermühle beziehen, bleibt weiteren Recherchen vorbehalten. Schließlich kauft der aus Mecklenburg gebürtige Wilhelm Gilberg 1891 die „Eldenburger Wassermühle“ am See. Sie wurde zwischenzeitlich auf Dampfbetrieb umgestellt und später elektrifiziert.

Seine Söhne Wilhelm, geb. 1892 und Karl, geb. 1894 setzten den Mühlenbetrieb fort. Karl wurde im „3.Reich“ Bürgermeister von Lenzen und von der Bevölkerung nur „Karl-Ich“ genannt, weil seine Sätze stets mit „Ich“ begannen. In 3. Generation war Wilhelms Sohn Horst in der Mühle tätig.
Familie Gilberg wurde 1961 im Zuge der zweiten Ausweisung aus Lenzen und dem Sperrgebiet ausgewiesen. Die Mühle wurde von der LPG weiter betrieben.
 

Billiges Industriemehl führt zum Windmühlensterben
Auf der Katasterkarte vom Jahre 1881 sind im Bereich Lenzen diese 5 genannten Windmühlen und die zuletzt beschriebene Wassermühle verzeichnet, davon sind: 2 Holländerwindmühlen auf dem Finkenberg und 1 Bockwindmühle auf dem Galgenberg (rechts hinter dem Judenfriedhof). Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, daß sich die Galgenberge (Mehrzahl!) von dort aus über das Alten- und Pflegeheim und das Bahnhofsgelände bis zur Brauerei Schack erstreckten. Weiter gab es 1 Bockwindmühle vor dem Seetor, 1 Holländerwindmühle auf dem Hausgrundstück Gilberg und 1 Wassermühle, die zu Eldenburg gehörte. Zwei der fünf Windmühlen von Lenzen gingen noch vor 1900 ein, die anderen drei vor 1920. Ernst Lent mit seiner Bockwindmühle vor dem Seetor war Lenzens letzter Windmüller.

Anschrift:
Förderverein Historische Bockwindmühle Lenzen e.V., Finkenbergstr. 6, 19309 Lenzen (Elbe),
Spendenkonto: Sparkasse Prignitz, BLZ 16050101, Konto: xxxxxxxxxx,
Spendenbescheinigungen werden ausgestellt.

Georg Grüneberg