Sächsischer Landtag

des Freistaates Sachsen

 

69. Sitzung                                                                                                            3. Wahlperiode

 

Beginn: 10.00 Uhr             Dresden, 11. Oktober 2002, Plenarsaal                    Schluss: 17.40 Uhr

 

2. Aktuelle Debatte

 

Zum Umgang der Staatsregierung mit den sächsischen Musikschulen

Antrag der Fraktion der PDS

 

Die PDS-Fraktion hat als Antragsstellerin zuerst das Wort. Es folgen die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion und die Staatsregierung, wenn gewünscht. – Frau Lattmann-Kretschmer.

 

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, einmal tief Luft zu holen und sich auf ein anderes Thema einzustellen. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bitte glauben Sie nicht, dass mit Ihrer Pressemitteilung vom 25. September „Die CDU-Fraktion beschließt: Musikschulförderung wird fortgesetzt“ und der möglicherweise am 7.10.2002 erfolgten Korrektur im Haushaltsplanentwurf der Staatsregierung das Thema als erledigt zu den Akten gelegt werden könne.

 

Die Rolle der Retterin, die Sie so gern spielen – ich erinnere wieder einmal an das aktuelle Hin und Her zur „Aktion 55“ –, werden Ihnen die in dieser Sache bereits zum zweiten Male an der Nase Herumgeführten nicht abnehmen. Zu lange haben sowohl Ihre Fraktion als auch der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst zu diesem beispiellosen Vorgang geschwiegen. Zu viel Vertrauen in ein zuverlässiges, aus der Sache heraus begründetes Landesinteresse an der Förderung von sachsenweit 35 Musikschulen mit ihren 39 000 Musikschülerinnen und Musikschülern ist in den letzten Wochen verloren gegangen, natürlich auch, weil sich dieser Vorgang genauso schon einmal in der vorhergehenden Haushaltsdebatte abgespielt hatte. So schnell vergisst man nicht.

 

Was war geschehen? Am 28. August 2002 wurden die Musikschulen vom SMWK offiziell darüber informiert, das sie ab 1.1.2003 nicht mehr mit der Landesförderung zu rechnen hätten und dass stattdessen im Haushaltsentwurf der Staatsregierung vorgesehen sei, den Kulturräumen die Förderung zu übertragen, ohne dass jedoch jenen die ursprüngliche Landesförderung für die Musikschulen in Höhe von 5 Millionen Euro jährlich zugewiesen werden sollte. Noch am 25. Juni 2002 hatte Staatsminister Rößler dem Vorsitzenden des Trägervereins des Heinrich-Schütz-Konservatoriums, dem uns allen gut bekannten Friedbert Groß, versichert, dass „sein Haus beabsichtige, die Förderung gemäß der neuen Richtlinie des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst für alle Musikschulen einheitlich zu gestalten“. Acht Tages später, am 2. Juli 2002, revidierte das Kabinett mit dem Beschluss zum Haushaltsentwurf 2003/ 2004 dieses Versprechen.

 

Hatten Sie im Kabinett, Herr Staatsminister Dr. Rößler, nicht genügend überzeugende Argumente für die Fortsetzung der Landesförderung der Musikschulen? Haben Sie wenigstens gegen diese Entscheidung gestimmt? Die von Ihnen beschworene Teamarbeit der Staatsregierung, abwesender Herr de Maizière, bedeutet doch wohl nicht, dass unterschiedliche Auffassungen von Ministern nicht erlaubt und von ihnen nicht energisch vertreten werden können. Bis zur Ausgabe des Haushaltsplanentwurfes an die Abgeordneten Anfang August blieb der peinliche Kabinettsbeschuss geheim. Dann erst sickerte er tröpfchenweise durch, bis am 28. August 2002 die verbindlichen Mitteilungen erfolgten.

 

Kein Wunder, das Panikreaktionen nicht ausblieben, hatte doch das Musikschuljahr bereits begonnen und waren konkrete Vorhaben in Angriff genommen worden; Panikreaktionen besonders an Einrichtungen, die sich schon vor Jahren – mit sichtlichem Wohlwollen der Behörden – bekanntlich für eine privatrechtliche Trägerschaft ihrer Musikschulen entschieden. Inzwischen sind es sechs. Die ehrenamtlichen Vorstände dieser Vereine, an deren Spitze mit Multiplikatorwirkung das große Heinrich-Schütz-Konservatorium Dresden, befürchteten Zahlungsunfähigkeit. Es drohten kurzfristig: eine Kündigung von Musikschullehrerinnen und -lehrern, die Auflösung der Vereine, Insolvenzanmeldungen, Kreditverweigerungen und die persönliche finanzielle Haftung der Vorstände. Die Presseerklärung der CDU-Fraktion hat wenigstens diese Zuspitzung gestoppt, sie hat sie jedoch nicht gelöst.

 

(Beifall bei der PDS)

 

Welche Auswirkung diese Situation auf die Dresdner Musikschulszene hatte, ist Ihnen, sehr verehrte Abgeordnete, bekannt. Auf der einen Seite gab es eine Vielzahl von Benefizkonzerten für die vom Hochwasser schwer betroffenen Musikschulen in Flöha und in Bad Schandau. Auf der anderen Seite gab es Unterschriftensammlungen in Größenordnungen für die Fortsetzung der eigenen Arbeit auf hohem künstlerischem Niveau.

 

Noch jetzt befällt mich Scham, wenn ich an den 30. September 2002 zurückdenke, als ich – auf dem Weg zur Mitgliederversammlung des Trägervereins des Heinrich-Schütz-Konservatoriums, auf der über dessen Auflösung beraten werden sollte, den Flur entlang, die Treppen hoch – durch ein dichtes Spalier schweigender Menschen gehen musste – kleine und große Musikschülerinnen und -schüler mit ihren Instrumenten, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Großeltern, sich solidarisierende Künstlerinnen und Künstler. Wir wurden sonst immer von musizierenden Kindern empfangen. Hinter mir sagte jemand, es wäre besser, sie stünden vor der Staatskanzlei.

 

Für die Musikschulen des Landes, die nicht diese Lobby von berühmten Dresdner Künstlern und landeshauptstädtischer Presse haben, war die Situation nicht weniger beängstigend. Die Unsicherheit ist, wie viele Briefe und E-Mails der letzten Tage zeigen, noch keineswegs behoben. Wir sind heute mit dieser Debatte als Landtagsabgeordnete geradezu verpflichtet, den Musikschulen, ihren Freunden und Förderern wieder Sicherheit zu geben.

 

(Beifall bei der PDS)

 

Präsident Iltgen: Ich erteile das Wort der CDU; Herr Wöller, bitte.

 

Wöller, CDU: Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte der Opposition und Frau Kollegin Lattmann-Kretschmer herzlich danken für diese Aktuelle Debatte. Sie gibt mir Gelegenheit zu einem besonders wichtigen Thema zu sprechen und die Leistungen der Musikschulen in diesem Lande entsprechend zu würdigen.

 

An den 28 kommunalen und ehemaligen Landesmusikschulen erhalten die über 39 000 Schülerinnen und Schüler eine qualitativ hohe künstlerische Ausbildung. Das ist insbesondere bemerkenswert, weil wir trotz der demografischen Schwierigkeiten, die wir haben, 8 000 Schülerinnen und Schüler seit 1992 mehr haben, also eine echte Leistung und Attraktivität.

 

An den Musikschulen wird ein weites Angebot mit musischer Breitenförderung geboten. Wir haben Begabtenförderung auf hohem Niveau. Über das traditionelle Angebot von Instrumental- und Gesangsunterricht hinaus werden auch besonders innovative Projekte gefördert. Hervorzuheben in diesem Zusammenhang ist die Früherziehung von Eineinhalbjährigen in so genannten Piepmatz-Kursen, die sehr erfolgreich läuft.

 

Meine Damen und Herren! Den Musikschulen kommt eine besondere Bedeutung bei der musischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen zu. Sie stellen eine qualitative Erziehungsleistung dar, tragen wesentlich zur Identitätsbildung bei und pflegen damit unser gemeinsames kulturelles Erbe. Die sächsischen Musikschulen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für kulturelles Schaffen in unserem Land. Ich möchte daher die Gelegenheit wahrnehmen, den Musikschulen, den Schülerinnen und Schülern, den hoch engagierten Lehrern und auch den Eltern sehr herzlich für ihren Einsatz zu danken.

 

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

 

Die CDU-Fraktion in diesem Hohen Hause hat die sächsischen Musikschulen immer unterstützt. Im laufenden Haushalt 2002 werden deshalb 5,112 Millionen Euro eingestellt. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, auch der Staatsregierung sehr herzlich zu danken, die unter sehr schwierigen finanziellen Bedingungen Kultur immer den hohen Stellenwert eingeräumt hat, der ihr gebührt.

 

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Deswegen haben Sie alles rausgestrichen, oder was?)

 

Die CDU-Fraktion hat, worauf Kollegin Lattmann-Kretschmer schon richtigerweise hingewiesen hat, einen klaren Beschluss zum vorliegenden Haushaltsentwurf gefasst: Wir wollen die Fortsetzung der direkten staatlichen Förderung für die sächsischen Musikschulen, damit Planungssicherheit herrscht, damit Klarheit herrscht. Wir werden dies im laufenden Haushalt umsetzen, meine Damen und Herren.

 

Präsident Iltgen: Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Wöller, CDU: Nein.

 

Die Debatte ist ganz im Gegensatz zur vorherigen Debatte wichtig, aber nicht aktuell, weil sie durch den Beschluss der CDU-Fraktion überholt ist.

 

(Frau Zschoche, PDS: Den haben wir erst gestern gelesen; hätten Sie sich doch einmal beeilt!)

 

Meine Damen und Herren! Was wir brauchen, sind keine Lippenbekenntnisse der Opposition, sondern konkrete Beschlüsse und klares Handeln. Ich würde mich freuen, wenn zumindest dies ein Ergebnis dieser Aktuellen Debatte sein wird: dass Sie Ihr konkretes Handeln einmal unter Beweis stellen können. Vielen Dank.

 

(Beifall bei der CDU)

 

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Dr. Kunckel, bitte.

 

Dr. Kunckel, SPD: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wöller, der Titel der Aktuellen Debatte heißt „Der Umgang der Sächsischen Staatsregierung mit den Musikschulen“, er heißtnicht „Der Umgang der CDU-Fraktion mit den Musikschulen“.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Insofern ist sie noch aktuell. Möglicherweise im Verfahren ist der Regierung im Moment nach dem Kabinettsbeschluss über den Haushalt die Hand gebunden, aber aktuell ist die Debatte schon.

 

So ein Beitrag in einer Aktuellen Debatte dauert 5 Minuten nach unserer Geschäftsordnung. Mir scheint, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist in etwa der Zeitumfang, mit dem sich die Sächsische Staatsregierung zum Thema Musikschulen im Haushalt beschäftigt hat.

 

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

 

Wenn ich die Frage in einer ersten Feststellung deutlich auf den Punkt bringen muss und will, dann heißt meine Aussage: Der Umgang der Sächsischen Staatsregierung mit den Musikschulen des Landes ist miserabel,

 

(Beifall bei der SPD – Frau Zschoche, PDS: Ja!)

 

weil ruinös, Herr Minister. Natürlich, wenn der Haushalt so durchkäme – man müsste dann auch noch über die allgemeine Kunst- und Kulturförderung reden –, dann würden sicherlich – ich bin ein ehrlicher Mensch, wie Sie wissen – nicht alle Musikschulen in Sachsen ihre Pforten schließen. Man wird versuchen, die Eltern weiter zu belasten, die Kommunen werden in ihrem Bereich den einen oder anderen Cent noch locker machen, um ihre Schulen zu betreiben. Aber eines, Herr Rößler, wäre klar: Die Einmaligkeit der ehemaligen Landesmusikschulen und der heutigen Konservatorien „Bach“, „Schütz“ und „Schumann“ in diesem Lande wäre ruiniert. Sie könnten so, mit diesem Profil, mit dieser Idee und mit dieser Ausrichtung, nicht weiter existieren.

 

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

 

Ich komme zu einer zweiten Feststellung und will dazu einleiten. Ich habe in diesem Hause in den vergangenen Jahren des Öfteren auch bei scheinbar einfacheren Themen philosophische Gedanken, so wie sie mir als Techniker kommen, über die Fragen Bedeutung und Wechselwirkung von Haben und Sein, von res extensa und res cogitans – Sie erinnern sich vielleicht –, von Wirtschaft und Kultur gesprochen. In diesem Hause und in meiner Fraktion ist bekannt, dass ich ein pragmatischer Mensch bin und dass man, um Kultur und Leben zu bestreiten, Wirtschaft braucht, um dies zu finanzieren. Aber die primäre Ausrichtung für mich ist klar: Wir sollten uns nicht ausschließlich als Dienstleister der Wirtschaft verstehen. Ich halte das im Übrigen für einen Kardinalfehler dieser Zeit.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Aber meine Reden, Herr Rößler und verehrte Mitglieder der Staatsregierung, wenig polemisch und sicherlich auch immer sachlich vorgetragen, scheinen bei Ihnen keine Wirkung hinterlassen zu haben. Jedenfalls stelle ich mit dem Beschluss des Kabinetts fest, dass in diesemKabinett mehrheitlich von den Ministern die Kultur als Dienstleister für die Wirtschaft gesehen wird, und das aus meiner Sicht auch noch halbherzig.

 

Wenn wir die Änderungen in dieser Gesellschaft betrachten, die vor uns stehen, dann sage ich Ihnen noch einmal und ich werde da auch nicht müde: Wir werden, wenn wir Eliten in diesem Lande in Zukunft halten oder bekommen wollen, die Tore schießen können, die Frage der Lebensqualität und damit der Kultur deutlich relativieren müssen an den anderen Fragen der materiellen Infrastruktur.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Sie wird nämlich eine deutlich höhere Bedeutung bekommen. Deswegen meine ich, wenn es schon Menschen gibt, die Kultur – im Übrigen auch viele andere Fachpolitiken – nur als Dienstleister für Wirtschaftspolitik sehen, wird auch dort für diese Leute ein Umsteuern nötig sein.

 

Und drittens – dann will ich noch einmal reden, weil ich ja zweimal 5 Minuten habe durch die längere Debatte vorher – will ich Ihnen, Herr Rößler, etwas ganz Persönliches sagen. Wir haben ja schon über das Thema im Ausschuss diskutiert. Damals haben Sie gesagt: Ich bin stolz oder zufrieden – ich weiß nicht, ob Sie stolz gesagt haben, aber zufrieden –, dass der Anteil im Einzelplan 12 in diesem Gesamtkunstwerk Haushalt prozentual im Verhältnis zu den vorhergehenden Jahren beibehalten wurde. Für mich ist es eine bestechende Logik. Sie würde mich dazu verleiten, wäre die Zeit zu dem ersten Beitrag nicht abgelaufen, Ihnen ein Privatissimum über das absolut Verfügbare, was nämlich dann bezahlt werden muss, und das Relative zu halten. Sie wissen, dass es da gewisse Unterschiede gibt.

 

Ich möchte Ihnen einen Satz vorhalten – sie müssen ihn jetzt nicht mitschreiben; es steht dann im Protokoll –, den ich im Rahmen einer anderen Debatte schon einmal zitiert habe – ein Selbstzitat! –:

 

„Das Selbstverständnis des Staates manifestiert sich in seinen Gesetzen und politischen Institutionen. Doch der Sinn staatlicher Institutionen ist Gegenstand eines kontinuierlichen kulturellen kritischen Selbstgesprächs auf allen Ebenen der Gesellschaft. Kulturpolitik“ – Herr Rößler, Sie sind in diesem Land dafür verantwortlich – „stellt sich der Aufgabe, die Freiheit dieses Selbstgesprächs zu schützen und die institutionellen Bedingungen dafür auch in Zeiten wirtschaftlicher Nöte aufrechtzuerhalten, wenn nicht gar zu verbessern.“

 

(Beifall bei SPD und PDS)

 

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Wöller, bitte.

 

Wöller, CDU: Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Dr. Kunckel, ich bedanke mich für diesen Debattenbeitrag. Er zeigt, dass Sie nach Schiller kein „Brotgelehrter“ sind, sondern doch ein philosophischer Kopf, mit dem es sich zu streiten lohnt. Das greife ich gern auf.

 

(Dr. Kunckel, SPD: Ich bin Elektrotechniker!)

 

Lassen Sie mich zu dem von Ihnen beschriebenen Umgang der Staatsregierung und der CDU-Fraktion mit den Musikschulen nur Folgendes sagen: Die Mehrheitsfraktion und die Staatsregierung handeln als Einheit. Beide sind sich der hohen Bedeutung von Kunst und Kultur bewusst.

 

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Das sieht man am Haushaltsentwurf!)

 

Man muss sich nur ansehen, was wir in den vergangenen Jahren für Kunst und Kultur zu leisten bereit und imstande waren.

 

Ich greife den von Ihnen in die Debatte eingeführten Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Kultur gern auf. Herr Kollege Dr. Kunckel, ich stimme Ihnen zu, dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist. Wirtschaft muss eine dienende Funktion haben. Aber Wirtschaft ist nicht alles und ohne Wirtschaft ist alles nichts. Es trifft sicherlich zu, dass Kunst aus sich selbst heraus Sinnfindung und Identitätsstiftung bedeutet und nicht gänzlich von wirtschaftlichen Gegebenheiten abhängig sein kann.

 

(Beifall der Abg. Frau Lattmann-Kretschmer, PDS)

 

Aber wir diskutieren nun einmal auch im Rahmen von Haushaltsverhandlungen. Dabei sind neben den Ausgaben die Einnahmen entscheidend. Wenn wir uns die gerade im letzten Jahr beobachtete dramatische Entwicklung bei den Einnahmen anschauen – diese sind übrigens nicht nur in Sachsen, sondern in sämtlichen deutschen Bundesländern dramatisch eingebrochen; wir müssen auch in Zukunft Einnahmenverluste von bis zu 600 Millionen Euro verkraften –, dann muss man doch die Frage nach dem Warum stellen.

 

Offenbar wird eine Politik betrieben, die zu kurz greift, indem sie Missverhältnisse, Schieflagen herbeiführt. Ich nenne nur die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage wird bei Kapitalgesellschaften Geld verdient. Aber wir haben in Sachsen – deshalb sind wir uns auch einig – zu wenige dieser Kapitalgesellschaften. Wenn wir diese aber entlasten und gleichzeitig die Personengesellschaften, die in Sachsen deutlich überwiegen, belasten, brechen unsere Einnahmen weg. Eine solche Wirtschaftspolitik führt dazu, dass am Ende die Mittel für Kunst und Kultur bedauerlicherweise nicht in dem Maße zur Verfügung stehen, wie es aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion der Fall sein sollte.

 

Die Wirtschaft stellt in hohem Maße finanzielle Mittel für die Kultur bereit; viele Projekte basieren auf privater Initiative. Der Staat kann und darf nicht alles fördern. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn Kultur nicht gänzlich von der Wirtschaft abhängig sein soll, muss eine Wirtschaftspolitik betrieben werden, die dafür Sorge trägt, dass die wirtschaftliche Entwicklung gedeiht und dass Freiräume geschaffen werden. Unternehmen müssen für die Ansiedlung gewonnen und Initiativen und Innovationen ausgelöst werden, damit jetzt und künftig Steuereinnahmen fließen, mit denen wir Kunst und Kultur stärker fördern können. Ich würde mir nicht nur in diesem Hohen Haus, sondern auch auf Bundesebene Debatten wünschen, in denen dieser Zusammenhang, der sich konkret in den Haushalten niederschlägt, eine größere Berücksichtigung findet.

 

Präsident Iltgen: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

 

Wöller, CDU: Ich wäre dafür dankbar, wenn wir in diesem Sinne künftige Diskussionen miteinander führen könnten. Vielen Dank.

 

(Beifall bei der CDU)

 

Präsident Iltgen: Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort. Frau Lattmann-Kretschmer, bitte.

 

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Herr Abg. Wöller, ich habe nicht die Absicht, mich mit Ihnen in einen freien Diskurs über Wirtschaft, Kultur und Kulturwirtschaft zu begeben. Das Thema lautet: Musikschulen. Dazu und zur Verantwortung der Staatsregierung – damit auch zu Ihrer Verantwortung – haben Sie im Grunde nichts gesagt.

 

(Beifall bei PDS und SPD – Wöller, CDU: Sie müssen zuhören!)

 

– Ich habe zugehört. Ich erinnere Sie an – –

 

(Wöller, CDU: ... aber nichts verstanden!)

 

– Nehmen Sie diese Zwischenrufe bitte von der Zeit weg!

 

(Heiterkeit – Dr. Hähle, CDU: Von unserer Zeit?)

 

Ich erinnere an die Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien am 19. September, in der ich in der Hoffnung auf direkte Antworten gefragt habe, wann Sie sich verbindlich zu der Situation der Musikschulen äußern, ob der Sondertitel aus dem Haushaltsplanentwurf gestrichen wird und wie es mit den Kulturräumen weitergeht. Sie wissen genau, wie verschwommen Sie und der Herr Staatsminister auf diese dringliche Frage reagiert haben. Hätte es eine klare Antwort gegeben, müsste die heutige Debatte möglicherweise nicht geführt werden.

 

(Vereinzelt Beifall bei PDS und SPD)

 

Wenn es übrigens jemanden gibt, der die falsche Weichenstellung in der Förderpolitik der Staatsregierung gegenüber den 35 Musikschulen korrigieren konnte, – –

 

(Zuruf des Staatsministers Dr. Rößler)

 

– Sie irren sich. Nach der letzten Auskunft sind es 35; ich habe das mit Hilfe des Landesverbandes der Musikschulen überprüft.

 

– dann waren es diese künstlerischen Bildungseinrichtungen selbst. Mit ihrem landesweiten Protest haben sie dazu beigetragen. Eine hervorragende Rolle spielten dabei die Eltern und ihre Vertretungen, denen unsere Fraktion von dieser Stelle aus herzlich danken möchte.

 

(Beifall bei der PDS)

 

Sie haben eindrucksvoll die politische Verantwortung übernommen und ihr moralisches Recht auf eine ungefährdete Fortsetzung der Musikschularbeit eingefordert. Das ist es doch, was der Herr Ministerpräsident nicht müde wird zu beschwören: bürgerschaftliches Engagement von hoher Qualität.

 

Genau dieses Engagement kommt bei den Eltern zum Tragen, die mit ihrem Einsatz, mit viel Zeit, Geduld und Kraft den musikalischen Lernprozess ihrer Kinder unterstützen. Sie versuchen, den Kindern damit eine glückliche Entwicklung zu ermöglichen, und wollen ihnen helfen in der Gesellschaft ihren Platz zu finden.

 

Die andere Seite dieses bürgerschaftlichen Engagements ist die handfeste finanzielle Eigenbeteiligung. Die Eltern tragen inzwischen ein Drittel der Förderung der Musikschulen. Im Durchschnitt werden 500 Euro Jahresbeitrag pro Schüler bezahlt; er schwankt zwischen 300 und 1 700 Euro. Weitere Gebührenerhöhungen durch eine rückläufige Förderung des Landes und der Kommunen – auch diese sind in ihren Unterstützungsmöglichkeiten eingeschränkt – würden zur Ausgrenzung nicht nur sozial schwacher Familien führen. Verdient dieses zuverlässige bürgerschaftliche Engagement nicht das Recht auf eine zuverlässige Partnerschaft des Landes? Müsste sich die Staatsregierung nicht glücklich schätzen, dieses Netz qualifizierter Musikschulen im Land zu haben –

 

(Beifall bei PDS und SPD)

 

nicht nur als beglückendes Moment für Sonn- und Feiertage, sondern vor allem auch als gutes Unterpfand für eine erfolgreiche Entwicklung zu einem weitaus höheren Stellenwert der Künste in der kindlichen Bildung als bisher? Diese Aufgabe steht unweigerlich auf der Tagesordnung. Das müssten Sie, Herr Staatsminister, der Sie einmal für Kultus zuständig waren, unbedingt wissen.

 

Zur Abwechslung einmal kein Hinweis auf „Pisa“, sondern auf die Studie von Hans Günther Bastian „Kinder optimal fördern mit Musik“. Ich zitiere:

 

„Angesichts neuer interdisziplinär übereinstimmender Forschungsergebnisse aus den Bereichen Hirnforschung, Psychologie und Musikpädagogik sei so plakativ wie selbstbewusst festgestellt: Musik und Umgang mit Musik so früh wie möglich und auf allen Ebenen war nie notwendiger als heute.“

 

Ergänzen könnte man dazu auch: Bewegung, Malen, Zeichnen.

 

Vor diesem Hintergrund gesicherter Forschungsergebnisse, die ich ja hier nur andeuten konnte, muss ich noch einmal das Verhalten der Staatsregierung befragen und das werde ich in meinem nächsten Beitrag tun.

 

(Beifall bei PDS und SPD)

 

Präsident Iltgen: Meine Damen und Herren, die Staatsregierung hat um das Wort gebeten. Herr Minister Dr. Rößler, bitte.

 

Dr. Rößler, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Frau Kollegin Lattmann-Kretschmer, noch einmal: Der Abg. Roland Wöller hat gerade ausgeführt, dass die CDU-Fraktion einen Beschluss gefasst hat, derdie Finanzierung betrifft: dass sich an der Finanzierung der Musikschulen nichts ändern soll.

 

(Zuruf der Abg. Frau Zschoche, PDS)

 

Damit sprechen wir also über Kontinuität. Das, was Sie hier beschworen haben, wäre die Situation, wenn die Kontinuität nicht gegeben wäre. In einem stimme ich mit Ihnen überein, das lässt sich sogar aus „Pisa“ nachweisen: – –

 

Präsident Iltgen: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister Rößler?

 

Dr. Rößler, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst: Nach meiner Feststellung würde ich die gern beantworten, Herr Präsident. – Die ästhetische Bildung von Kindern und Jugendlichen ist ein ganz unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung. Diese Allgemeinbildung – so zeigen eigentlich alle einschlägigen Untersuchungen – ist ganz entscheidend für die Entwicklung von Persönlichkeiten, für Sensibilität, für Fantasie und ist eigentlich auch eine Grundlage für alles andere.

 

(Zuruf der Abg. Frau Zschoche, PDS)

 

Es geht der Staatsregierung in keiner Weise darum, Kollege Kunckel, Kinder, Schüler oder junge Menschen bedarfsgerecht zu formen für die Erfordernisse einer wie auch immer gestalteten Wirtschaft, die sich ja, das wissen Sie selber, ununterbrochen ändert. Wenn wir uns danach richten würden, wäre es in der Bildungs- und Kulturpolitik schwierig. Wir wollen ein festes Fundament von Allgemeinbildung und Persönlichkeit legen. Dazu gehört natürlich auch die umfängliche Befassung mit Kultur. Da spielt die musische Erziehung eine ganz entscheidende Rolle.

 

Frau Lattmann-Kretschmer, obwohl man es von den eigenen Kindern weiß, wenn sie im Alter von elf, zwölf Jahren ihre Übungen am Instrument absolvieren müssen, ist diese Einsicht noch nicht so weit verbreitet, vor allem bei kleinen Jungen. Die reift dann allmählich. Wenn man in unserem Alter ist, weiß man erst recht, wie wichtig sie ist. Ich glaube, da stimmen wir überein. – Jetzt würde ich auf die Fragen antworten.

 

Präsident Iltgen: Frau Dr. Volkmer war zuerst. Aber wenn Sie Frau Lattmann-Kretschmer den Vortritt lassen wollen…

 

Dr. Rößler, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst: Wenn sich die Damen nicht einigen können, – –

 

Präsident Iltgen: Dann lege ich das jetzt fest: Frau Dr. Volkmer zuerst.

 

Frau Dr. Volkmer, SPD: Herr Staatsminister, Sie haben gerade so anschaulich beschrieben, wie wichtig Ihnen die Kultur und die musische Bildung der Kinder und Jugendlichen ist. Dann frage ich Sie: Warum haben Sie zugestimmt, dass dieser Titel „Förderung der Musikschulen“ herausgestrichen wurde, wenn Ihnen das so wichtig ist? Was werden Sie tun, damit nicht aller zweiJahre wieder das gleiche Theater um die Finanzierung der Musikschulen hier in diesem Hause abläuft?

 

(Beifall bei SPD und PDS)

 

Dr. Rößler, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst: Ich würde dann noch gern einige Ausführungen zu den Inhalten und der Art der Förderung machen. Aber Sie haben Recht, es kann unterschiedliche Vorstellungen von der Finanzierung geben. Das ist klar. Die Staatsregierung hatte erst andere Vorstellungen, Sie wissen: dieselben wie vor zwei Jahren. Aber ich meine, die CDU hat mit ihrem Beschluss sicher eine Kontinuität hergestellt, die den Musikschulen zugute kommen wird.

 

Ich glaube, unsere Aktuelle Debatte geht jetzt ein bisschen am derzeitigen Erkenntnisstand in den Musikschulen vorbei. Aber wir sollten sie trotzdem führen.

 

Präsident Iltgen: Jetzt bitte Frau Lattmann-Kretschmer.

 

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Er hat nicht geantwortet, aber er will es vielleicht nachher noch tun. Ich hatte nämlich auch diese Frage, aber jetzt habe ich eine andere Frage.

 

Präsident Iltgen: Fragen Sie!

 

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Sie, Herr Dr. Rößler, gehen doch völlig über die Situation hinweg, die gegenwärtig noch in den Musikschulen herrscht. Was in den letzten sechs Wochen passiert ist, habe ich ja wirklich beschrieben.

 

(Zuruf von der CDU: Frage!)

 

Meine Frage ist: Wie können Sie sich das als Minister für Wissenschaft und Kunst leisten? Sehen Sie da nicht doch einen großen Vertrauensverlust, der durch so einen Beschluss der CDU-Fraktion nicht einfach hinweggewischt werden kann?

 

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

 

Dr. Rößler, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst: Ich sehe natürlich, dass die Diskussion über die Finanzierung der Musikschulen alle zwei Jahre Unsicherheiten auslöst. Das ist ganz unbestritten. Ich sehe natürlich auch, dass die Art und Weise unserer Finanzierung in zwei Bereichen sicherlich ganz unterschiedlich zum Tragen kommt. Sie wissen, dass zum einen unsere Zuschüsse zu den Lehrkräften nur bei etwa 14 % liegen.

 

(Frau Dr. Volkmer, SPD: 15 %!)

 

– Bis zu 15 % kann gefördert werden. Da sehen Sie, wie transparent die Staatsregierung das alles macht. Aktuell liegt der Zuschuss bei etwa 14 %. Der andere Teil dieser Finanzierung wird aufgebracht, wie das richtig gesagt wurde, von Eltern,

 

(Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Dazu kommt die Begabtenförderung!)

 

– zur Begabtenförderung komme ich gleich noch –, von kommunalen Trägern. Da muss man eins wissen: dass das natürlich auch in Zukunft so bleiben wird.

 

(Frau Dr. Volkmer, SPD: Dann schreiben Sie es doch einmal fest!)

 

Wir werden mit dieser Finanzierung, die wir gerade diskutieren, nur die 14 % aufbringen. Der Rest liegt nach wir vor bei anderen Trägern.

 

Was besonders wichtig ist, und das ist eindeutig eine Landesaufgabe, Frau Lattmann-Kretschmer, ist die Begabtenförderung, für die die Musikschulen eine ganz wichtige Rolle spielen. Die Begabtenförderung macht, wenn man so will, die andere Hälfte des Fördervolumens aus. Hier spielen die ehemaligen Landesmusikschulen eine ganz große Rolle. Ich meine, das ist schon eine Landesaufgabe, die wir über viele Jahre ausgefüllt haben. Sie wissen, dass insgesamt in die Förderung der Musikschulen in den letzten elf Jahren rund gerechnet etwa 25 Millionen Euro in diesen einen Teil und 25 Millionen Euro in den anderen Teil geflossen sind. Dorthin sind etwa schon 50 Millionen Euro an Förderung gegangen. Die Ergebnisse geben dieser Förderpolitik der Staatsregierung eigentlich auch Recht. Oder?

 

(Frau Zschoche, PDS: Wenn Sie damit zufrieden sind?!)

 

Wir liegen, was die Musikschulen betrifft, deutschlandweit recht gut im Rennen.

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Kontinuität der Förderung in Zukunft haben, wird uns das nicht von der Verpflichtung entbinden zu überlegen, wie sich die Musikschulen und insbesondere die Spitzenförderung weiter ausgestalten lassen. Kollege Kunckel, Sie wissen ja selbst aus Ihrer Tätigkeit an unserem Konservatorium in Dresden, dort gibt es auf jeden Fall Entwicklungsbedarf, damit wir unsere gute Position gerade im Bereich der Spitzenförderung deutschlandweit auch halten können. Dort gibt es auf jeden Fall Reformbedarf. Dem können wir sicherlich nicht ausweichen. Aber ich weiß auch aus Dresden, dass an solchen Vorstellungen gearbeitet wird.

 

So viel zu den Musikschulen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und kann nur hoffen, dass wir die ausgezeichnete Arbeit unserer Musikschulen in Sachsen in der bewährten Art und Weise weiterführen können.

 

(Beifall bei der CDU)

 

Präsident Iltgen: Meine Damen und Herren! Damit ist – – (Zuruf von der SPD: Nein! – Dr. Kunckel, SPD: Ich habe noch einen zweiten Beitrag angekündigt! – Frau Dr. Schwarz, SPD: Redezeit ist auch noch da!)

 

Dann erteile ich Herrn Dr. Kunckel nach dieser Rednerliste das Wort.

 

Dr. Kunckel, SPD: Ich denke, ich habe noch 5 Minuten; ich mache es auch in zwei. Aber wenn ich 5 Minuten habe, ich werde ja schließlich dafür bezahlt – –

 

(Leichte Heiterkeit – Frau Dr. Schwarz, SPD: Das müssen noch 5 Minuten sein! – Beifall des Abg. Jurk, SPD)

 

Präsident Iltgen: Ja, es muss alles seine Ordnung haben.

 

Dr. Kunckel, SPD: Bevor ich, Herr Präsident, meine Damen und Herren, auf zwei Dinge, die mir wichtig sind, noch eingehe, gibt mir die Reihenfolge – ich rede auch am liebsten am Schluss –, die Sie vielleicht nicht richtig durchblickt haben,

 

(Zuruf der Abg. Frau Zschoche, PDS)

 

die Gelegenheit, auf meine beiden Vorredner einzugehen.

 

Herr Kollege Wöller, Sie sind ein junger, engagierter und talentierter Kollege; lassen Sie mich das einmal so sagen. Ich kenne Sie auch persönlich.

 

(Dr. Hahn, PDS: Talentiert? Na, ja!)

 

Aber was Sie in Ihrem Beitrag sagen wollten, ist ja eigentlich: Dass die Staatsregierung diesen Beschluss zu den Musikschulen gefasst hat, nämlich die Förderung zu streichen, ist die Schuld der rot-grünen Bundesregierung, denn die hat ja dafür gesorgt, dass die Steuereinnahmen zurückgehen.

 

Herr Kollege Wöller, ich habe in meinem Leben

 

(Frau Zschoche, PDS: ... viel erfahren.)

 

eines gelernt: Ideologien – auch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner – führen zu nichts. Das sage ich Ihnen mit fast 60 Jahren.

 

(Beifall des Abg. Dr. Hähle, CDU)

 

Sie werden eines Tages auch dorthin kommen. Sie führen zu nichts. Auch ich war nicht immer einverstanden mit dem, was die Regierung Schröder gemacht hat – getan oder gelassen hat.

 

Aber das Thema Musikschule, Herr Wöller, ist nun wirklich unser Problem hier in Sachsen.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Wir müssen dieses Problem lösen unter der Maßgabe, dass die Einnahmen zugegebenermaßen nicht immer von uns abhängig sind. Das ist aber bei den anderen Ländern auch so.

 

(Zuruf der Abg. Frau Zschoche, PDS)

 

Und noch ein Rat: Wir sollten nicht immer davon ausgehen – bei manchen Beiträgen scheint mir das so zu sein –, dass wir die Wahrheit gepachtet haben und die Moral, womit wir der anderen Seite sagen, dass sie grundsätzlich nicht Recht hat und unmoralisch ist. Das ist der Lösung eines Problems nicht dienlich, sondern verschärftnur die Auseinandersetzungen in einer Art und Weise, die zu Politikverdrossenheit führt.

 

(Bewegung im Saal)

 

Und nun zu Ihnen, Herr Minister.

 

(Frau Zschoche, PDS: Oh!)

 

Ich sage es Ihnen noch einmal: Offenbar haben Sie den Titel der Aktuellen Debatte nicht richtig verstanden. Es geht um das Verhalten der Staatsregierung. Das Verhalten der Staatsregierung per Beschluss, per Kabinettsbeschluss ist in diesem Dokument, dem Haushaltsentwurf, festgehalten. Und es geht nicht unbedingt und immer um einen Schulterschluss. Da kann man staatsrechtlich auch einmal darüber streiten, ob das so richtig ist, was Sie sagen, Herr Wöller, aber wenn Sie so argumentieren, dass sie zufrieden sind, wenn – ich sage das einmal locker – die Kuh vom Eis ist; sie ist erst vom Eis, wenn wir in diesem Hohen Hause den Beschluss gefasst haben –,

 

(Frau Zschoche, PDS: Der Landtag beschließt!)

 

und dass es eine Kontinuität gibt, dann komme ich nur zu der Überlegung: Offenbar haben Sie die Musikschulen der Fraktion als Spielgeld überlassen.

 

(Lebhafter Beifall bei SPD und PDS – Frau Zschoche, PDS: Genau!)

 

Das mag sicher im Sinne machtpolitischer Konstellation –

 

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Schwarz, SPD) das macht die SPD sicherlich auch; ich weiß es nicht, ich habe hier noch nicht regiert – nötig sein, um Befriedigungen hervorzurufen. (Frau Zschoche, PDS: Wie bei der „Aktion 55“!)

 

Aber, meine Damen und Herren, die Frage ist immer, an welchem Gegenstand man das macht und was man für Schaden anrichtet.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Da komme ich zu meinem vierten Punkt; drei habe ich vorhin genannt. Ich will Ihnen etwas zur Geschichte der Landesmusikschulen sagen. – Wenn Sie, Herr Dr. Rößler, sagten, dass ich mich da engagiere: Ich bin dort nicht tätig, sondern ich leite den Freundes–, den Förderkreis seit zehn Jahren. – Die Landesmusikschulen haben wir in den ersten vier Jahren einmal komplett finanziert. Sie sind ja auch etwas anderes als die kommunalen Schulen.

 

(Staatsminister Dr. Rößler: Die haben wir aber dann überführt!)

 

– Ja, ich kenne die Geschichte, ich bin da wirklich komplett dabei gewesen. Und nun sage ich Ihnen eins: Dann hat diese Konstruktion Landesmusikschule – davon bin ich fest überzeugt –,weil es so etwas in Baden-Württemberg und in Bayern nicht gibt, nicht in die Landschaft gepasst.

 

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

 

Von da an haben wir nicht den sächsischen Weg beschritten, waren nicht stolz auf unsere Herkunft, auf unsere Ideen, auf unsere „Fischelanz“, sondern die Ministerialbürokraten – denen ich das nicht vorwerfe; es ist nicht böse gemeint, es ist ihr Job – haben vorgeschlagen, das sozusagen abzustoßen, abzunabeln.

 

Es war ein schwieriger Prozess. Wir haben dann ja eine Vereinsgründung in Dresden vorgenommen, andere sind andere Wege gegangen, haben eine Finanzierungsvereinbarung bis zum Jahre 2001 abgeschlossen. Ich fand das nicht gut, habe aber dann, auch als Vereinsvorsitzender, Mut gemacht: Es wird schon gut werden – „alles wird gut“!

 

Dann kam das Jahr 2001. Es war mitten in einer Haushaltsperiode; darüber haben wir 2000 diskutiert und da ging es um die ersten Kürzungen. Vorher haben die Landesmusikschulen 7 Millionen Mark bekommen. Dann ist das, wie Sie vielleicht wissen – damals waren Sie noch nicht Minister, nicht in diesem Ressort –, um 2 Millionen zurückgeführt worden.

 

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Volkmer, SPD)

 

Darüber haben wir diskutiert. Ursprünglich sollte es ganz zurückgefahren werden, in die Kulturräume gehen. Wir haben Anhörungen gemacht, es ging hin und her. Dann hat sich nach diesen schwierigen Verhandlungen die Kontinuität durchgesetzt.

 

Präsident Iltgen: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

 

Dr. Kunckel, SPD: Bitte.

 

Frau Altmann, PDS: Hier, Herr Dr. Kunckel! Aus einer unerwarteten Richtung – will ich zugeben – kommt die Zwischenfrage. Nach allem, was Sie jetzt über die Entwicklung der Landesmusikschulen gesagt haben, was Sie an der Entwicklung auch nicht so gut finden, auch vor dem Hintergrund, dass vielfach gesagt wurde, Musikschulen, Kunst und Kultur allgemein, könnten nur gefördert werden, wenn auch die Wirtschaft stimmt, wenn genug Einnahmen da sind, möchte ich meine Frage stellen, aber der etwas vorausschicken: Sie alle wissen, dass vor wenigen Tagen die Junge Philharmonie Venezuela hier in Sachsen zwei Gastspiele gegeben hat. Ich frage Sie jetzt, Herr Kunckel: Finden Sie nicht auch die Auseinandersetzung, die wir um die Finanzierung der Musikschulen in Sachsen führen, doch recht peinlich, wenn man weiß, dass in einem Land wie Venezuela ein Projekt wie diese Junge Philharmonie auf die Beine gestellt worden ist?

 

(Zuruf der Abg. Frau Petzold, CDU – Weitere Zurufe)

 

Dr. Kunckel, SPD: Ich weiß nicht, ob die Diskussion nur peinlich ist. Ich würde sagen, sie ist eigentlich viel schlimmer. Das ist es auch, was ich mit den Andeutungen zur Geschichte erzählen wollte: Es handelt sich um einen Prozess, der im Sinne von Sparen – was ja auch wichtig ist; ich bin auch für Sparen – aber an einer Stelle einsetzt, an der zum Tode gespart wird. Und das ist mit „peinlich“ nicht zu beschreiben; das ist eigentlich dumm.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Aber lassen Sie mich noch einmal zur Geschichte kommen. Wir hatten dann im Jahre 2001 bereits 800 000 Mark weniger für das Schütz-Konservatorium. Ich bin herumgerannt und wir haben geschaut, ob wir die Gebühren erhöhen können. Wir sind jetzt an einer Kante angekommen, wo selbst Gutbetuchte ihre Probleme mit der Finanzierung haben. Ich bin zum Herrn Stihl von der Stadt gegangen und habe versucht, die Leute zu überreden, die 350 000 Mark, die wir nicht durch Gebührenerhöhung refinanzieren konnten, zu bekommen; wir haben es dann bekommen.

 

(Zuruf des Staatsministers Dr. Rößler)

 

Und dann ist das weitergegangen. Nur, Herr Rößler – und das ist die Feststellung für mich –: Ich bin es leid, ich bin es wirklich leid, solche Diskussionen ständig als Feuerwehraktion zu führen und mich, der es nicht wollte, auch noch verprügeln zu lassen für die Scheiße, die hier angerichtet wird.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Fünftens und letztens. Herr Rößler, ich habe nicht verstanden – da können Sie noch so auf Kontinuität hinweisen und dass die Fraktion – – Gott sei Dank, die Hoffnung stirbt zuletzt, auch bei mir und ich habe ja auch viele Gespräche geführt und Signale bekommen, dass das so kommt, – –

 

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Kommen Sie bitte zum Abschluss.

 

Dr. Kunckel, SPD: Letzter Satz: Herr Staatsminister, dass Sie im Kabinett durch Ihr Handheben für den Untergang der Landesmusikschulen gestimmt haben, das nehme ich Ihnen für sehr, sehr lange Zeit, wenn nicht gar für immer, sehr krumm. Sie, Herr Rößler, sind der Minister und Sie haben die Hand gehoben zu diesem Kabinettsbeschluss und darum geht es heute. Darum ist auch alles aktuell, was wir heute diskutieren.

 

(Beifall bei der SPD)

 

Ich will noch sagen, was das bedeutet:

 

(Zuruf des Staatsministers Dr. Rößler)

 

Dieser Beschluss, Herr Rößler war eine extreme politische Dummheit. Die Franzosen würden noch anfügen: à la puissance treize, was so viel heißt wie: hoch 13.

 

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Herr Dr. Kunckel, Sie sprechen nicht nur einen, sondern mehrere Sätze!

 

Dr. Kunckel, SPD: Ich bin zufrieden, dass die CDUFraktion das korrigiert hat, trotzdem sehr enttäuscht.

 

(Beifall bei der SPD – Teilweise Beifall bei der PDS)

 

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Es spricht von der CDU-Fraktion Herr Dr. Grüning. Bitte schön.

 

Dr. Grüning, CDU: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kunckel, eines stimmt nicht: dass die Staatsregierung die Förderung der Musikschulen generell einstellen wollte.

 

(Widerspruch bei der SPD)

 

Das ist nicht richtig.

 

(Zurufe von der SPD)

 

Wir hatten diese Diskussion schon vor zwei Jahren. Hier verbirgt sich nämlich ein Problem, das auch eine Brücke schlägt zu unserer ersten Debatte: Zentralisierung oder Dezentralisierung?

 

(Zuruf von der SPD)

 

– Ja natürlich! Kulturräume oder nicht Kulturräume – wenn Sie das verstanden haben.

 

(Zurufe von der SPD: Ja, ja!)

 

Dieses Problem ist ein ernst zu nehmendes Problem besonders im Bereich der Kultur.

 

Wir hatten vor zwei Jahren die Entscheidung, dass die Musikschulen aus dem Bereich des Kultusministeriums in den Bereich Wissenschaft und Kunst übernommen würden.

 

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Volkmer, SPD)

 

Es gab darüber eine Diskussion im Sächsischen Kultursenat, sogar mehrere. Ich habe an einer noch als Senator teilgenommen. Da gab es die Forderung, die Kultur an einer Stelle zu konzentrieren. Es gab auch die Forderung, sie in die Kulturräume zu integrieren, allerdings unter der Voraussetzung, dass dafür mehr Geld zur Verfügung gestellt wird.

 

(Zurufe von der SPD)

 

Nun kann man von der Sache her die Musikschulen sowohl bei Kunst und Wissenschaft ansiedeln als auch bei Kultus. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube und sage, dass das erzieherische Moment, das in der Musikschule außerordentlich wirksam ist und das mit der Kultur auch im pädagogisch-schulischen Sinne in Verbindung steht, bei Kultus gewiss nicht schlechter aufgehoben wäre als bei Wissenschaft und Kunst.

 

Die Staatsregierung hat die Möglichkeit, ihre Strukturen in diesem Sinne selbst zu organisieren. Wie gesagt, die Entscheidung ist möglich. Wir hatten dann vor zwei Jahren die Diskussion der Einordnung in die Kulturräume oder nicht. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Kulturräume auch fördern sollten. Deswegen hatten wir das Gesetz in dieser Hinsicht geöffnet. Ich bin auch derMeinung, dass nach dem Subsidiaritätsprinzip die Gemeinden, Landkreise und Kulturräume dafür eine Verantwortung haben.

 

(Dr. Hahn, PDS: Dann müssen Sie die Gesamtsumme erhöhen!)

 

– Ja, Herr Hahn, darüber wollte ich gerade reden.

 

Mir war es völlig klar, dass in der gegenwärtigen Kulturraumstruktur eine Einbindung dieser Musikschulförderung nicht möglich ist. Darüber waren wir uns vor zwei Jahren völlig im Klaren, weil die Strukturprobleme, mit denen die Kulturräume noch zu kämpfen haben, ohnehin so gravierend sind, dass sie keine neue Leistung bewältigen können. Deswegen sage ich, dass dafür der Freistaat einstehen muss; denn es kann nicht im Belieben der Kulturräume stehen, ob sie die Musikschulen fördern oder nicht.

 

Ich habe damals vorgeschlagen, dass wir eine Zweckbindung von Mitteln in die Kulturräume hineingeben, und wollte auch die Erhöhung bei den beiden anderen Titeln, die wir dann für die Musikschulen umgewidmet hatten. Das halte ich durchaus für sinnvoll, wenn die Zweckbindung gegeben ist. Uns wurde von den Juristen aber gesagt, dass das verfassungsrechtlich mehr als problematisch sei, weil wir das gesamte Prinzip, dass die Kulturräume im Wesentlichen selbst entscheiden, damit aushebeln. Das leuchtet natürlich ein. Ich verweise auf das Ossenbühl-Gutachten.

 

Deswegen haben wir einen Titel umgewidmet und gewährleistet, dass die Musikschulen durch das Land gefördert werden.

 

Ich muss sagen, so ganz nahe ist der Schulterschluss nicht. Wir haben uns durchaus geeinigt und der Staatsminister hat mir immer signalisiert, dass er die Förderung der Musikschulen für ganz wesentlich hält, aber ich bin doch der Meinung gewesen, dass wir dazu einen anderen Titel brauchen und es nicht allein durch die Kulturräume bewerkstelligen können. Unser Arbeitskreisvorsitzender Herr Wöller hat diesen Vorschlag auch unterbreitet. Wir haben in der Fraktion beschlossen, dass wir dies in den Landtag einbringen und mit der Mehrheit unserer Fraktion unterstützen werden.

 

Frau Lattmann-Kretschmer, gerichtsfest können wir das natürlich nicht machen, weil dieses Hohe Haus beschließt und nicht die CDU-Fraktion.

 

Ich danke Ihnen.

 

(Beifall bei der CDU)

 

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Ich darf jetzt Frau Lattmann-Kretschmer von der PDS-Fraktion bitten, in dieser 2. Aktuellen Debatte noch einmal das Wort zu nehmen.

 

Frau Lattmann-Kretschmer, PDS: Sehr geehrter Herr Dr. Grüning, ich bin froh, dass Sie noch einmal dazu gesprochen und diese Sache mit den Kulturräumen auch problematisiert haben. Das würden wir jetzt in der Auseinandersetzung nicht mehr schaffen, weil es wirklich kompliziert ist.

 

Ich glaube, einen Standpunkt dürfte man jedoch nicht verlieren: dass für diese Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche der Staat eine direkte Verantwortung tragen muss. Ich kann es im Einzelnen nicht genau wiedergeben, aber der Direktor des Robert-Schumann- Konservatoriums in Zwickau hat mir gesagt, dass wir dann das einzige Land wären, das keine direkte staatliche Förderung seiner Musikschulen hat, wenn wir diesen Beschluss, zu dem es glücklicherweise nicht kommen wird, fassen.

 

Es tut mir herzlich Leid, dass Prof. Milbradt nicht da ist. So berechtigt ich die Kritik an Herrn Dr. Rößler finde, denn er war damals schon für die Musikschulen verantwortlich, als sie noch dem Kultusministerium zugeordnet waren und dort nach meiner Ansicht an der richtigen Stelle, glaube ich dennoch, dass der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident auch eine grundlegend unterschiedliche Auffassung zur Förderung der Musikschulen hat. Ich hätte es sehr gern gehabt, wenn er diese heute von Mann zu Frau und Frau zu Mann ausgesprochen hätte; denn es wird kolportiert, dass er in der 1. Legislaturperiode im Wirtschafts- und Finanzausschuss schon die Auffassung vertreten hat – damals stand das Thema noch gar nicht direkt auf der Tagesordnung –, dass die Musikschulen von den Kommunen gefördert werden müssten und dass die Landesverantwortung nicht zutrifft.

 

Es ist auch kein Geheimnis, dass der Ministerpräsident trotz dieser schwierigen Situation, in der sich die Musikschulen mit diesem Planentwurf bereits befanden, noch einmal dem Vorsitzenden des Trägervereins, Friedbert Groß, versichert hat, dass er bei dieser Auffassung, dass die Musikschulen in die Kulturräume sollten, bleibt. Das sind Dinge, die im Hintergrund eine große Rolle gespielt und diese große Unsicherheit ausgelöst haben. Dazu hätte ich gern, auch für die Zukunft, das Wort des Ministerpräsidenten gehört.

 

Es wird Politikern oft vorgeworfen, dass sie bei ihren Entscheidungen die Folgewirkungen nicht bedenken. Ich glaube, dass es oft sehr schwierig ist, aber in diesem konkreten Fall wären sie – das ist mit dieser Debatte sichtbar geworden – sehr einfach zu erkennen gewesen.

 

Ich frage deshalb: Geht es um mehr? Sind diese Versuche, das Austesten, wie weit die Staatsregierung mit der Rücknahme bisheriger Landeskulturförderung gehen kann, mit welchem Widerstand zu rechnen ist, doch etwa das Signal für eine kulturpolitische Richtungsentscheidung der Staatsregierung? Die erneut geplante Kürzung der Haushaltstitel der Allgemeinen Kultur- und Kunstförderung – Herr Dr. Kunckel erwähnte das schon knapp; denn auch hier geht es um Breite, um Vielfalt der Kultur, vor allem auch um Förderung junger Kunst, um Soziokultur, um die Zuweisungen an Städte und Gemeinden – lässt diese Sorge berechtigt erscheinen.

 

Abschließend möchte ich im Namen meiner Fraktion allen danken, die gegen die Streichung der Musikschulfinanzierung aus dem Haushalt protestiert haben, und zugleich appellieren – das haben die letzten Worte von Herrn Dr. Grüning auch bestätigt –: Die Sache ist noch nicht ausgestanden! Uns ist noch kein verbindliches Wort des Ministerpräsidenten und seines Finanzministers in dieser Sache bekannt.

 

(Dr. Grüning, CDU: Das kann er doch gar nicht! – Wöller, CDU: Dieses Haus beschließt den Haushalt!)

 

Die CDU-Fraktion hat außer Absichtserklärungen in der Presse noch keine parlamentarischen Schritte unternommen. Das wird sie tun müssen, wenn sie ihre Versprechungen einhalten will. Sie können dazwischenrufen, aber es gibt durchaus Kulturminister und CDU-Fraktionen, die öffentlicher und kämpferischer und vor allen Dingen früher, nicht erst nach einer langen Schlafpause, ihren Standpunkt in so einer wichtigen Frage äußern und öffentlich vertreten.

 

(Beifall bei PDS und SPD)

 

2. Vizepräsidentin Frau Zschoche: Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und damit ist der Tagesordnungspunkt 1, Aktuelle Stunde, beendet.