Sächsische
Zeitung
Dienstag, 17.
September 2002
Taler, Taler, du musst wandern
Dresdner
Schütz-Konservatorium womöglich weiter freistaatlich gefördert – Trägerverein
will sich auflösen
Ungeheuerlich, borniert, ignorant; es waren nicht eben Komplimente,
die von Seiten der Gewerkschaft ver.di gestern auf den Vorstand vom
Trägerverein des Dresdner Schütz-Konservatoriums niederprasselten. Grund war
der Beschluss des Gremiums vom 4. September, die Geschäftsführung des
Konservatoriums mit der Kündigung alle Arbeitsverhältnisse zum 31. Dezember
diesen Jahres zu beauftragen. Das ist inzwischen auch geschehen, über 100
Mitarbeiter, darunter das dreiköpfige Direktorium, sind betroffen.
Warum diese
drastische Maßnahme? Der Vorstand reagierte damit auf den Beschluss des
Freistaates Sachsen, im Doppelhaushalt 2003 und 2004 aus der Förderung
sämtlicher Musikschulen auszusteigen. Die Kulturräume sollen fortan
einspringen, ohne das bei gleich bleibenden Mitteln überhaupt zu können. Das
Schütz-Konservatorium müsste nach den Plänen mit einem Drittel weniger Geld
auskommen. „Wir sollen im Oktober einen Wirtschaftsplan für 2003 vorlegen“,
sagt Trägervereinsvorstand Friedbert Groß. „Wie soll das gehen, wenn die
Finanzierung noch völlig unklar ist? Wir können die Vereinsmitglieder doch
nicht auf einem Schuldenberg sitzen lassen.“ Doch der Ausspruch von Kündigungen
ohne Regelungen über Interessenausgleich und Sozialplan ist rechtlich
undurchführbar, der Beschluss mithin wohl eher als Hilferuf zu verstehen.
Der ist gleichwohl
längst angekommen: Am 25. Oktober wird es einen Dringlichkeitsantrag der
CDU-Mehrheitsfraktion im Landtag geben, den Haushaltsentwurf zu korrigieren und
die Fördermittel des Landes auch weiterhin zu garantieren. „Ich räume dem
Vorhaben auch gute Chancen ein“, sagt Roland Wöller, Vorsitzender des
Arbeitskreises Kultur und Medien der CDU-Landtagsfraktion. Schließlich gehöre
„die Kultur zu den Lebensadern des Freistaates“, bilde die Arbeit der
Musikschulen „eine prägende Grundlage für kulturelles Schaffen im Land“. Wenn
es also, wie vor zwei Jahren schon einmal, zu einer Korrektur des
Haushaltsentwurfes kommt, dürften auch die Kündigungen am Schütz-Konservatorium
endgültig vom Tisch sein. Gleichwohl müssten dann – was gerne vergessen wird –
andere Bereiche der Kultur um die vom Freistaat angepeilte Spar-Summe von fünf
Millionen Euro beschnitten werden.
Übergang in kommunale
Verantwortung?
So oder so stehen dem
Heinrich-Schütz-Konservatorium einschneidende Veränderungen ins Haus. Denn der
Vorstand des Trägervereins wird auf der nächsten Mitgliederversammlung seine
Selbstauflösung vorschlagen. Offenbar hat sich das Vereinsmodell überlebt.
„Jedes Jahr müssen wir aufs Neue um die Zuschüsse kämpfen“, sagt Friedbert
Groß. „In einer so anhaltend unsicheren Finanzierungssituation ist ein Verein
mit seinen ehrenamtlichen Mitgliedern vielleicht nicht der geeignete Träger für
ein Institut von dieser Bedeutung.“
Wohin die Reise des
Konservatoriums nach Auflösung des Trägervereins gehen könnte, ist noch nicht
gewiss. Die Umwandlung in eine GmbH ist machbar, wahrscheinlicher aber scheint
der Übergang in die kommunale Verantwortung. Erste Sondierungen der Stadt
Dresden in diese Richtung wären jedenfalls relativ unproblematisch zu haben: Im
sechsköpfigen Vorstand des Trägervereins sitzt neben Dresdens
Wirtschaftsbürgermeister auch Lutz Vogel, der Kulturbürgermeister der Stadt.
(SZ)